Die beobachtete Unterrichtsstunde fand in dem Geschichtsunterricht einer 3. Klasse statt. Sir Augustine war der Vertretungslehrer für eine Kollegin. Das Thema war die Mole Dagbani Group, eine ethnische Gruppe in Ghana, aus der weitere Stämme entstanden sind. Eine Schülerin las den Informationstext aus dem Schulbuch vor und der Lehrer wiederholte und ergänzte die Informationen. Es ging um den Ursprung der Group, ihre Verbreitung, verschiedene Abspaltungen und Anführer. Danach gab es ein Quiz über das gerade Gelernte. Die Jungs traten gegen die Mädchen an. Sir Paul stellte Fragen und schrieb die Punkte an der Tafel mit. Die Schüler*innen freuten sich immer sehr, wenn sie etwas richtig gewusst hatten.
Mein Fokus in der Unterrichtsstunde lag auf der Strukturierung und dem Ablauf des Unterrichts sowie auf der Interaktion im Unterricht.
Insgesamt bestand die Stunde aus zwei Teilen: Dem Vorstellen neuer Inhalte (Erklärungen des Lehrers in Ergänzung zum Schulbuch) und der Festigung des Wissens (Quiz).
Der Unterricht fand frontal statt in Form eines Unterrichtsgesprächs mit den Schüler*innen. Es wurden kurze Passagen aus dem Buch vorgelesen und anschließend vom Lehrer wiederholt und teilweise mit weiteren Informationen ergänzt. Zur Unterstützung wurden einzelne Begriffe, z.B. die Namen der einzelnen Anführer, an die Tafel geschrieben. Vieles wurde häufiger wiederholt, oft mit identischem oder sehr ähnlichem Wortlaut, und wichtige Informationen wurden von allen Schüler*innen chorisch nachgesprochen. Beim Quiz wurden Jungs und Mädchen abwechselt befragt und die allermeisten Schüler*innen waren sehr engagiert dabei. Bei falschen Antworten wurde der befragten Gruppe teilweise noch eine zweite Chance gegeben oder die andere Gruppe wurde befragt. Am Ende wurden die Punkte zusammengezählt und der Sieger somit ermittelt. Sir Paul betonte trotzdem, dass alle hier sind, um zu lernen und dass es nicht schlimm ist, Fehler zu machen.
Die Interaktion mit den Schüler*innen war eine Mischung aus Autorität und losgelöster Atmosphäre. Sätze wie „Listen to me and listen good“ zeigen die Einforderung von Respekt gegenüber dem Lehrer deutlich. Eine laute Stimme, raumgreifende Gesten und eine energiegeladene und engagierte Ausstrahlung verstärken diesen Eindruck. Trotzdem wurde im Unterricht viel gelacht, der Lehrer machte mal einen Witz oder erzählte eine kurze Geschichte aus einem anderen Unterricht. Die meiste Zeit hatte er ein großes, strahlendes Lächeln auf den Lippen und agierte mit einer offenen Körpersprache. Er lobte verbal und den Schüler*innen wurde beim Quiz Zeit eingeräumt, sich gebührend über eine richtige Antwort zu freuen (es wird durch die Klasse und auf den Tischen getanzt, geschrien und gesungen) bevor wieder für Ruhe gesorgt wurde und es weiter geht.
Für meine eigene Lehrerprofessionalisierung nehme ich mit, dass die Strukturierung des Unterrichts sich immer an dem Zweischritt „Wissen aneignen und festigen“ orientieren sollte, um sukzessiv Wissen im Langzeitgedächtnis aufbauen zu können. Eine häufige Wiederholung ist dabei hilfreich. Ein Quiz als Möglichkeit der Festigung und gleichzeitig auch Überprüfung des Gelernten ist sinnvoll, um die Gruppenzusammengehörigkeit und die Teamfähigkeit zu stärken und macht vielen Schüler*innen durch den spielerischen Charakter Spaß. Die Motivation zum Lernen kann durch ein Quiz durchaus gesteigert werden. Es sollte jedoch nicht zu oft angewendet werden, weil es sonst seinen Reiz verliert.
Ich finde es sehr schön, eine entspannte Atmosphäre für die Schüler*innen zu gestalten, weil dadurch das typische hierarchische Lehrer*innen-Schüler*innen-Verhältnis vermindert wird. Ich persönlich bevorzuge eine Kommunikation mit den Schüler*innen auf Augenhöhe und ein spielerischer Umgang ist dabei hilfreich, die Schüler*innen besser zu erreichen. Eine gelöste und sichere Atmosphäre ist außerdem wichtig für ein gutes Lernklima, um jedem/jeder Schüler*in einen Raum zu ermöglichen, in dem er/sie sich entfalten und ausprobieren kann. Die Rolle der Lehrkraft sollte dabei nicht unterschätzt werden, da die positive Bestätigung und Wertschätzung von der Lehrperson sehr wichtig für die Entwicklung der Schüler*innen ist.
Aus eigener Erinnerung kann ich bestätigen, dass ein Spiel den Spaß am Fach erhöht. Im Fach Russisch (2. Fremdsprache) hat unser Lehrer in den 1980ern dosiert ein Quiz eingesetzt, um uns immer mal wieder entspannte Zeit mit der Sprache zu gönnen. Wir haben in Gruppen gegeneinander gespielt - und manchmal gab es sogar Preise zu gewinnen. Im Vergleich zum Fach Englisch habe ich den Russisch-Unterricht positiver/motivierender in Erinnerung.
Ein weiteres Mittel, um uns mehr "in die Sprache hinein zu ziehen", war damals, dass wir uns gleich in der ersten Stunde eine "Unterrichtsidentität" aussuchen durften: Jeder Schüler hat sich einen russischen Namen gegeben, den wir dann über Jahre beibehalten haben. Damit wurden wir im Unterricht und auch außerhalb angesprochen vom Lehrer.
Ebenfalls aus dem Russisch-Unterricht erinnere ich den Wert der Wiederholung. Wir haben manche Passagen aus dem Lehrbuch immer wieder laut gesprochen (oder gesungen), die mich bis heute begleiten. Es sind Bruchstücke, die ich erinnere und die mit positiven Emotionen verbunden sind; sie haben etwas Heimeliges, Ordnendes. Mein Eindruck ist, dass durch die Wiederholungen einige "Formeln" ein geistiges Lattenrost gebildet haben, an dem sich andere Inhalte besser festhalten konnten.