Was mir das Tanzen gegeben hat
Mein Tanzlehrer hat vor einer Woche unvermittelt seinen Job verloren. Und genauso unvermittelt habe ich etwas verloren: das Tanzen.
Der Kurs ist noch da, meine beiden Tanzpartner sind noch da und es kommt ein neuer Trainer. Und trotzdem ist es ein Verlust für mich.
Mein Tanzlehrer hat mir den Inhalt gegeben, den ich gebraucht habe. Er gab mir die Möglichkeit, mich drei Stunden in der Woche nur mit mir zu beschäftigen, mich zu fokussieren, zu konzentrieren, mich aber auch zu entspannen und alles andere zu vergessen. Durch ihn fühlte ich mich kompetent, aber trotzdem konnte ich mich selbst immer wieder herausfordern und meinem persönlichen Anspruch an mich nachkommen. Und diesen Anspruch konnte er mit technischem Wissen füllen.
Gerade die Herausforderung werde ich vermissen.
Zwar kann ich mich immer noch selbst vor den Spiegel stellen und üben, aber da ist niemand, der mich anleiten und mir sagen kann, wie ich mich verbessern kann.
Und das möchte ich. Ich möchte Input und Feedback, Tiefe und Genauigkeit. Kurz gesagt: Ich möchte gefordert werden.
In zwölf Jahren Geigenunterricht und fünf Jahren Orchester wurde ich jede Woche aufs Neue gefordert und gefördert. In Frankreich hat mich die Sprache gefordert. Zurück in Hamburg hat mich die Uni und der Aufbau eines neuen Lebens gefordert. Dann hat mich das Tanzen auf neue Art und Weise gefordert.
Ich bin es quasi nicht gewohnt, nicht gefordert zu werden.
Und gerade das Geigespielen hat mich auch gelehrt, dass ich Dinge, die mir wichtig sind, nicht irgendwie können will. Ich will sie richtig und gut können. Das gewisse Streben nach Perfektion macht mir Spaß und die totale Konzentration auf eine Aktivität gibt mir viel.
Und das Tanzen hat mir noch etwas gegeben: Halt. Eine Konstante, in einer ansonsten stürmischen und aufwühlenden Zeit – persönlich wie gesellschaftlich.
Auch wenn ich nicht gleich den Kurs und damit vielleicht auch meine Tanzpartner aufgeben möchte, so sehe ich doch momentan wenig, was mir der Kurs auf längere Sicht geben könnte. Der Halt ist zwar noch da, doch ansonsten ist mein ganz persönlicher Sinn – das Gefordert werden – verloren gegangen.
Eine Tatsache, die ich auf kurz oder lang akzeptieren muss, auch wenn es mir gerade noch schwer fällt. An diese neue Situation habe ich mich noch nicht gewöhnt, sie destabilisiert mich vielmehr. Aber vielleicht kann ich nach einiger Zeit diesen Umbruch auch als Chance sehen kann, mich im Tanzen nochmal neu zu orientieren.
Oder es kommt alles ganz anders.
Denn das hat mir dieser Verlust gezeigt – es kommt immer anders, als man denkt.
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