Die erste Praktikumswoche ist um und ich habe in diesen vier Tagen so viel erlebt, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Jeder Tag ist anders und auch wenn mir vieles schon vertraut ist, gibt es doch jeden Tag etwas an der Schule, was ich bis jetzt noch nicht kannte. Ich bin immer von ca. 7:30h bis 13h/13:30h an der Schule und schaue bei verschiedenen Klassen rein. UNIPRA North Campus besteht aus Kindergarten, Primary und Junior High School. Bis auf den ersten Tag war ich jetzt immer bei der Upper Primary School – Klasse 4 bis 6.
Was man über das ghanaische Schulsystem und die Schulen wissen sollte, ist folgendes: Es wird zwischen Public und Private Schools unterschieden. Letztere sind deutlich besser ausgestattet und haben kleinere Klassen. Ich bin an einer Public School und das merkt man auch. Die Schule hat überhaupt kein Geld. Deshalb sind alle Gebäude heruntergekommen, es gibt keine Fachräume, die Klassenräume sind schlecht ausgestattet und Materialien sind rar. Ein Lehrerzimmer gibt es nicht – die JHS hat ein Kabuff, in dem man zwar sitzen kann, aber wo auch viele Hefte gelagert werden. Toiletten für Lehrer existieren nicht wirklich und die SuS gehen entweder in die Natur oder zu Bruchbuden etwas vom Schulhof entfernt – wie es dann dort aussieht weiß ich nicht und ich bin mir nicht sicher, ob ich es wirklich wissen möchte… Weil die Schule kein Geld hat und zusätzlich Lehrermangel herrscht, sind die Klassen sehr groß – 60 Kinder in einem normalgroßen Klassenraum sind der Standard. Durch die vorherrschende finanzielle Ungleichheit in Ghana tragen alle Kinder Schuluniformen. Am Freitag wird von den meisten eine „Freitagsuniform“ getragen, die besonders schön ist – außerdem findet montags und freitags zumindest an meiner Schule immer ein Assembly verbunden mit Singen und Marching statt.
Insgesamt ist das Schulsystem in drei Schulformen aufgeteilt – Primary School (1-6), Junior High School (7-9) und Senior High School (10-12). Dabei fangen alle Schulen immer wieder bei Form 1 an – an der JHS wäre die 7. Klasse also Form 1. An der Primary School werden folgende Fächer unterrichtet: Maths, English, Fante (lokale Sprache), French (ab welcher Klasse weiß ich noch nicht genau), Creative Arts, Science, Our World Our People, Religion and Moral Education (RME), Computer Science und History. Außerdem gibt es noch das außercurriculare Programm GALOP (Ghana Accountability Learning Outcome Program). Die 4. bis 6. Klassen werden dabei nach ihrer Leistung für Maths und Reading in drei Level eingeteilt. Fast jeden Morgen findet dann eine Stunde GALOP vor dem eigentlichen Unterricht statt, um eine zusätzliche Förderung zu ermöglichen.
Außerdem findet einmal in der Woche morgens Worship für die JHS statt. Alle Schüler und Schülerinnen versammeln sich auf dem Schulhof unter einem Dach und es wird gesungen, gebetet und gepredigt.
Wichtig zu wissen ist, dass ab der 3. oder 4. Klasse ausschließlich auf Englisch unterrichtet wird. An der JHS hängen auch Schilder aus, die daran erinnern, dass das sprechen von local languages im Klassenraum untersagt ist. Ich habe zwar immer noch nicht verstanden, wer welche Sprache wo spricht und inwiefern die Sprachen verwandt sind, aber eins weiß ich mit Sicherheit: Es ist eine unglaubliche Vielfalt und gefühlt jedes Kind hat eine andere Muttersprache – da gibt es Fante, Twi, Asanti, Gha, Akhan, Effutu und bestimmt noch viele mehr, die ich noch nicht kenne. Gerade die Twi-Sprachen wie Fante und Asanti sind sich sehr ähnlich, aber dann doch unterschiedlich. Dass Englisch angeblich die wichtigste Sprache ist und deshalb hauptsächlich Unterrichtssprache ist, ist ein Überbleibsel aus der Kolonialzeit der Briten und das gerade durch die Globalisierung bestehen bleiben wird. Auch wenn es für mich praktisch ist, dass die Unterrichtssprache Englisch ist, finde ich es trotzdem sehr wichtig die anderen Sprachen zu erhalten und zu fördern, denn sie transportieren die Kulturen des Landes und ohne sie würde ein guter Teil davon verloren gehen.
Ein weiteres Thema, das hier nicht fehlen darf: Caning. Seit ein paar Jahren ist es offiziell verboten Schüler und Schülerinnen physisch zu bestrafen. Aber wie jede Reform braucht auch diese Zeit und so ist Caning – gerade an der Primary School – noch sehr verbreitet. Viele Lehrer haben einen Rohrstock dabei und sind somit auch bereit, ihn jederzeit einzusetzen. Häufig wird er auch zum Zeigen an der Tafel verwendet oder es wird damit auf den Tisch gehauen, um für Ruhe zu sorgen. Aber er wird eben auch als Drohung und zum Schlagen eingesetzt. Da ich bis jetzt in den höheren Klassen war, hat das Caning eine nicht so große Rolle gespielt. Die Lehrer haben den Stock dabei, aber benutzen ihn nicht. Heute war das erste Mal, dass ein Junge von dem Französischlehrer einen Schlag auf den Rücken bekommen hat. In dem Moment habe ich es tatsächlich als nicht so schlimm empfunden, obwohl ich nicht genau wusste, warum der Schüler bestraft wird. Die anderen haben mir allerdings erzählt, dass Caning an der Lower Primary deutlich häufiger angewendet wird –eine Lehrerin, die an sich super nett ist, hat z.B. eine Kollektivstrafe an alle Kinder verteilt und jeder hat einen Schlag auf den Rücken bekommen. Das zu sehen, ist dann – denke ich – nochmal ne andere Hausnummer. Weitere Strafen sind „In der Ecken stehen“ und Knien (vor der Tür oder in der Ecke) oder mehrere Schläge, die nach dem Unterricht ausgeführt werden. Caning ist immer noch Schulalltag, aber gerade die jüngeren Lehrer benutzen es entweder gar nicht oder versuchen sich sehr zurückzuhalten. Ein Umdenken ist auf jeden Fall ins Rollen gekommen, aber es braucht Zeit, bis es vollkommen in die Praxis übergegangen ist. Eine positive Entwicklung im Vergleich zu früher, gibt es aber schon jetzt – zwei Lehrer haben uns z.B. erzählt, dass sie früher schon dreißig Schläge für Kleinigkeiten bekommen haben. An meiner Schule ist das auf jeden Fall nicht mehr der Fall. In jedem Fall spielen viele Faktoren mit rein, warum Caning immer noch praktiziert wird. Einer ist wohl auch, dass die Klassen so groß sind – 60 Kinder zu unterrichten ist auf jeden Fall kein Zuckerschlecken. Ei vielen Lehrern ist dann Caning oft ein Akt der Überforderung und Verzweiflung, weil sie sich nicht anders zu helfen wissen, so viele Kinder zu bändigen.
Ich hatte ja bereits das Ghanaian Concept of Time angeschnitten… Es wird auch konsequent in der Schule angewandt. Wie lange Unterrichtsstunden sind und wann sie anfangen bzw. aufhören weiß ich immer noch nicht – und ich bezweifle auch, dass ich das noch in den nächsten Wochen verstehen werde. Aus meiner Perspektive sind die Pausen und Unterrichtszeiten total random. Aber da alle so ticken, ist es eben auch kein Problem irgendwo zu spät zu kommen und damit kann ich mich sehr gut arrangieren. Morgens geh ich dann immer an den Klassenräumen vorbei und schaue welche Lehrer da sind und wen ich joinen könnte. Dann setze ich mich einfach mit in die Klasse rein – mir wird dann immer ein Stuhl gebracht – und schaue zu und mache mir Notizen zum Unterrichtsgeschehen. Irgendwann ist die Stunde dann zu Ende und ich ziehe zum nächsten Lehrer weiter oder ich stelle fest, dass Pause ist und schnacke dann mit ein paar Lehrern. Ich habe bereits schon meine kleine Kollegengang gefunden. Mit Augustine, Emmanuel und Paul sitze ich dann oft in der Pause oder Freistunde draußen vorm Klassenraum – Lehrertische stehen immer vor den Klassenräumen – und wir unterhalten uns oder Augustine versucht mir Asanti beizubringen, was nur bedingt funktioniert… Die Drei sind wirklich super lieb und total offen und interessiert – die Gespräche mit ihnen waren wirklich sehr spannend und lehrreich für mich – ein echter Austausch! Zum Mittagessen haben sie mich auch bereits eingeladen. Aber bitte stellt Euch jetzt keine Kantine vor – es gibt nämlich keine. Das Essen wird draußen ausgeteilt und auch draußen gegessen – es wird ausschließlich mit der rechten (!) Hand gegessen. Und mich Einladen bedeutet dann, dass sie mit mir ihr Essen teilen und wir alle zusammen in einer Schüssel mit unseren Händen rummantschen. Ich lieb’s! Wie man frischen sugar cane isst, habe ich bereits auch von ihnen gelernt – es wächst auf dem Schulgelände und ein paar Schüler werden dann losgeschickt ein paar canes für uns abzuschneiden. Ich kann es wirklich jedem nur empfehlen, es mal auszuprobieren! Die Art des Essens ist schon ein Erlebnis, aber es schmeckt einfach auch sehr schön süß.
Für die nächste Woche habe ich mir vorgenommen, auch mal bei der Lower Primary School reinzuschauen – bis jetzt hatte ich eher mit der Altersgruppe zu tun, die in Deutschland schon auf die weiterführende Schule gehen würde. Ich bin schon sehr gespannt auf die jüngeren Kinder und deren Lehrer!
Until then…
Onjamen yen adom a ochena! – By the grace of God, we will see each other tomorrow!
Schön, wie Du uns an Deinen Erfahrungen teilhaben lässt und eine wirklich gute Vorstellung von manchen Situationen vermittelst. Danke