It's all in my head
Die erste große Liebe. Das ist wohl etwas, was jedem für den Rest seines Lebens in Erinnerung und irgendwie auch im Herzen bleibt. Tja, die letzten zwei bzw. zweieinhalb Jahre hat es mich echt doll erwischt. Viele Höhen, aber noch mehr Tiefen, wo ich irgendwann gesagt habe: Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr. Es war kompliziert, verkorkst, und ich habe das letzte Dreivierteljahr damit zugebracht, davon loszukommen. Von ihm loszukommen. Ich war nie mit ihm zusammen, und trotzdem war oder ist es eine Trennung für mich, in dessen Prozess ich mich immer noch irgendwie befinde, obwohl ich gerne sagen würde, dass ich über ihn hinweg bin.
Ich habe nicht den typischen Liebeskummer, bei dem man sich tagelang die Augen ausweint, sein Leben nicht mehr im Griff hat, sich am liebsten mit nem anderen Typen ablenken will. Mein Trauer- und Trennungsprozess ist leise, manchmal mit Tränen, manchmal ohne, manchmal mit ganz vielen Gedanken und manchmal auch mit Tagen und Wochen, an denen es mich nicht beschäftigt. Aber immer, wenn ich denke, dass ich überm Berg bin, kommt wieder eine Nachricht, ein Gedankengang, der mich in Gefühle stürzt, von denen ich dachte, dass ich sie nicht mehr für ihn empfinden würde. Dann trifft es mich total unvorbereitet und lässt mich an mir zweifeln, ob ich jemals davon wieder frei sein werde.
Ich würde von mir behaupten, dass ich ein reflektierter Mensch bin und wenn ich eins in den letzten zweieinhalb Jahren getan habe, dann ist es reflektieren. Über mich, über ihn, über die Situationen, in die wir teils geraten sind, über Gedanken, Gefühle, einfach alles. Und deshalb kann ich leider nicht sagen, dass meine erste große Liebe super romantisch und immer mit einem rosafarbenen Filter überzogen war. Nein, das war sie nicht. Stattdessen war sie voll von meinen Ängsten, Sehnsüchten, ausgesprochenen und unausgesprochenen Gedanken, Interpretationen und Projektionen. Und nach einem letzten, langen und ausführlichen Gespräch mit ihm (von dem ich wirklich hoffe, dass es das letzte dieser Art mit ihm war), habe ich eins sehr klar für mich erkannt:
It’s all in my head! Alles, absolut alles, wie ich die letzten beiden Jahre der Mischung aus Freundschaft und Vielleicht-ist-da-mehr-zwischen-uns erlebt habe, ist eine Konstruktion in meinen Gedanken. Natürlich sind die Treffen, Gespräche etc. wirklich passiert – die sind in meiner und in seiner Erinnerung vorhanden – aber was ich daraus gemacht habe, dieser riesige Ball an Emotionen, Gedanken-Karussells, Interpretationen seines Verhaltens, sind nur in meinem Kopf. Und zwar nur in Meinem. Denn seine Realität, seine Wahrheit sieht ganz anders aus und kann recht knapp zusammengefasst werden: Er will nichts von mir (außer vielleicht auf körperlicher Ebene). Fertig. That’s it. Tja, und wir wissen ja, wie meine Realität dazu aussieht. Definitiv nicht so, sondern ganz anders.
Dass er mir das nochmal so direkt gesagt hat, hat mir echt die Augen geöffnet. Es ist nicht so, dass er mir das nicht schon mal gesagt hätte, aber jetzt konnte ich es wirklich verstehen und vor allem für mich annehmen. Und ich kann nur sagen: „WOW!“. All die Zeit habe ich mich selbst mit meinen Gedanken und Gefühlen für ihn gegängelt, aber letztendlich habe ich dabei immer nur die Version von ihm gesehen, die ich sehen wollte. Der Mann, der vor mir steht und sein Leben lebt, den habe ich nicht mehr gesehen, nicht mehr wahrgenommen. Der war (fast) vollkommen überdenkt von meinen vielen Projektionen in meinem Kopf, von all den Konstruktionen von ihm, die ich im Laufe der Zeit entworfen habe. Vieles davon ist wahr, ich hab ihn mir ja nicht auf einmal mit nem fetten Haus und teurer Karre vorgestellt, obwohl er beides in echt gar nicht hat. Nein, das ist es nicht. Aber jedes Verhalten, jede Geste, jede Mimik, jedes Wort von ihm habe ich in meinem Kopf auf die Goldwaage gelegt, die Inhalte gefiltert und mit Emotionen aufgeladen und ganz tief in mir vergraben. Jetzt muss ich den ganzen Krempel wieder aus mir ausgraben, ihn wortwörtlich aus meinem System herausbekommen, denn er bzw. die konstruierte Version von ihm, ist zu einem Teil von mir geworden. Das, was ich aus ihm in meinem Kopf gemacht habe, ist nur eine Illusion, die sich, obwohl ich sie nun endlich durchschaut habe, noch weiterhin hartnäckig hält.
Es braucht wohl noch Zeit und Arbeit an mir selbst, bis ich vollkommen davon frei bin, es nicht mehr Teil meines unterbewussten Systems ist, und ich nicht mehr aus heiterem Himmel getriggert werde.
Eine wichtige Erkenntnis war es aber allemal, die ich nun auch immer mehr im Außen, in anderen Menschen sehe (Everything is in everyone’s head!). Aber vielleicht gilt auch hier nur wieder: It’s all in my head.