Fern-Freundschaft
Meine beste Freundin ist vor knapp zwei Monaten in eine andere Stadt zum Studieren gezogen. Klar, war ich irgendwie traurig darüber und mir war auch klar, dass das unsere Beziehung verändern würde. Aber ich hatte nicht erwartet, dass es so viel schwieriger für mich (bzw. uns) werden würde…
Eine Fern-Freundschaft. So nenne ich das jetzt. Jeder spricht über Fernbeziehungen und meint damit natürlich Liebesbeziehungen und wie hart sie sind und wie schwer es doch ist, in Verbindung zu bleiben. I get it, mir steht auch eine bevor. Zwar nur für fünf Monate, aber prickelnd finde ich es jetzt auch nicht gerade…
Aber keiner spricht darüber, dass eine Fern-Freundschaft auch hart ist.
Meine beste Freundin und ich sind seit 13 Jahren befreundet, haben im Gymnasium jeden einzelnen Schultag miteinander gemeistert und haben nach dem Abi, als wir jeweils im Ausland waren, selbstverständlich Kontakt gehalten. Wir waren mehrmals zusammen im Urlaub, haben super viel zusammen gelacht, ein bisschen auch geweint, und uns über Gott, die Welt und natürlich Männer ausgetauscht. Wir haben uns jede Woche zu zweit getroffen und einfach nur geredet und wenn das nicht ging, haben wir telefoniert. Und am Ende jedes Treffens haben wir uns direkt für unser nächstes Treffen verabredet. Es war so easy, so selbstverständlich, so in einem Rhythmus, dass ich da noch nicht mal drüber nachdenken musste. Es war einfach völlig klar, dass ich einmal pro Woche meine beste Freundin sehe.
Und jetzt geht das nicht mehr. Ich glaube, dass mir die ganze Situation doch mehr zu schaffen macht, als mir wirklich bewusst ist… Auch wenn mir auf einer rationalen Ebene klar war, dass ihr Umzug unsere Beziehung beeinflussen würde, war mir das auf einem emotionalen Level irgendwie nicht so ganz klar. Ich dachte, es bleibt alles so, wie es ist. Deshalb hab‘ ich wohl auch nicht so wirklich darüber nachgedacht, wie es denn nun wirklich wird, wenn sie dann weg ist. Und ich mein, auf irgendeiner Ebene ist es ja auch so geblieben, wie es war, aber irgendwie auch nicht.
Ich glaube, ich habe auch nicht erwartet, dass ich jetzt damit struggeln würde, weil es bei unseren Auslandsaufenthalten kein Problem gewesen war, dass wir uns eben nicht gesehen haben. Stattdessen haben wir fleißig miteinander telefoniert und uns unendlich lange Sprachmemos geschickt, um uns immer up to date zu halten. Das war ein Selbstläufer, so wie unsere Beziehung es davor auch gewesen war.
Aber jetzt empfinde ich es irgendwie anders. Vielleicht liegt es auch daran, dass SIE weggegangen ist und ICH geblieben bin. Sie hat ein neues Umfeld, neue Freunde, ein neues Zuhause, ein neues Leben. Und bei mir ist alles beim Alten, mehr oder weniger.
Vielleicht fühlt es sich jetzt auch anders an, weil wir älter geworden sind, weil wir nicht mehr so naiv in die Zukunft schauen, weil wir uns unser Leben schon ein Stück weit aufgebaut haben und Pläne haben. Es ist nicht so unwahrscheinlich, dass das das letzte Mal gewesen ist, dass wir in derselben Stadt gewohnt haben. Es ist eben nicht mehr nur unbedingt temporär, sondern vielleicht wird unsere Freundschaft jetzt immer eine Fern-Freundschaft sein.
Ich zumindest habe unterschätzt, wie viel Energie ich da reingeben muss. Ich mein, ich habe natürlich all die Jahre viel in die Beziehung reingesteckt, aber es hat sich nicht so nach „Arbeit“ angefühlt. Wie schon gesagt, es war ein Selbstläufer und das wirklich im positivsten Sinne. Ich glaube, gerade weil wir uns so viel gesehen haben. Jetzt ist diese Sich-Sehen-Komponente weggefallen und Kontakt zu halten, genauer gesagt emotionale Verbindung zu halten, über Distanz hinweg und zwar nicht nur irgendwie sporadisch, sondern konstant und zuverlässig, ist schwer. Das muss ich mir eingestehen und da war ich im ersten Monat auch wirklich nicht gut drin.
Für mich kommt hinzu, dass ich sie nicht vermisse. Und das ist nicht beleidigend gemeint, sondern so bin ich gestrickt: Ich vermisse eigentlich nie jemanden. Naja, und blöd gesagt, wenn man jemanden nicht vermisst, dann denkt man auch nicht so oft an die Person und schwupps ist eine Woche vergangen und man hat sich nicht bei der besten Freundin gemeldet, die in eine neue Stadt gezogen ist. So nach dem Motto “out of sight, out of mind”. Tja, das war ich… und nicht in böser Absicht oder so, es war einfach so.
Also an dich, meine wundervolle beste Freundin, die ein neues Leben in einer neuen Stadt angefangen hat: Es tut mir leid, ich wollte dich nicht verletzen. <3
Und noch eine Sache macht das Ganze schwieriger für mich: Wenn mich eine Sache emotional beschäftigt, dann gibt es zwei Optionen bei mir:
Entweder, ich fühle es sehr doll und arbeite mich durch die Gefühle durch, bis ich sie verarbeitet habe – aka die healthy Variante. Oder – das ist die unhealthy Variante – ich komm gar nicht erst an irgendwelche Gefühle ran, die ich verarbeiten sollte, weil ich sie, noch bevor sie hochgekommen sind, verdrängt habe. Es bleibt dann eher eine leicht weirde Neutralität gegenüber einem Umstand, der mich eigentlich emotional deutlich mehr beschäftigen sollte. Tja, in diesem Fall habe ich – wie könnte es auch anders sein – letztere Option gewählt… Und so ohne Gefühl auf Distanz ‘ne Verbindung halten, ist nicht so easy peasy. Da rutsche ich dann schnell in eine Art Abwehrhaltung ihr gegenüber rein, die sich weder für sie noch für mich gut anfühlt. Und damit dreh ich natürlich jedem Gefühl, das da ihr gegenüber irgendwo in mir ist, von vornherein den Hahn zu…
Wie man also sieht, alles nicht so optimal.
Als ich sie dann vor ein paar Wochen besucht habe, habe ich wieder gemerkt, wie gut mir diese Verbindung tut und wie sehr ich meine beste Freundin in meinem Leben brauche.
Also habe mich ich gebessert im letzten Monat. Denn ich habe jetzt verstanden, dass ich mein Verhalten den Umständen anpassen und dementsprechend meine Energie anders einteilen muss, damit diese Freundschaft, diese Verbindung, bestehen bleibt und weiterhin tiefer wird.
Fazit also: Fern-Freundschaften können genauso schwer sein wie Fern-Beziehungen und man muss etwas dafür tun, damit man die connection nicht verliert.