Corona – noch vor wenigen Monaten gab es Maskenpflicht, Lockdowns, Impf-Marathons und viele weitere Beschränkungen. Nun ist das Thema durch. Endlich! Alle atmen merklich auf und stürzen sich unverzüglich in ihr altes Leben, um all die Dinge nachzuholen, die sie in den letzten knapp drei Jahren nicht tun konnten. Keiner mehr will an die schwierige Zeit zurückdenken, man möchte lieber so tun als ob sie nie da gewesen wäre…
Doch die Corona-Krise hat die gesamte Menschheit einmal ordentlich durchgeschüttelt. Es sind Themen zum Vorschein gekommen, die man lieber tief im Individuum aber auch im Kollektiv der Gesellschaft begraben gelassen hätte und nun alles dafür tut, diese Themen wieder in ihren Keller zurück zu verbannen. Dabei wurden durch die Krise vier große Ängste zu Tage gefördert, die man sich vielleicht doch mal etwas genau anschauen sollte.
Die erste Angst ist die Angst vor Krankheit. Diese Angst ist wohl in Anbetracht der Tatsache, dass wir es in den letzten drei Jahren mit einem Virus zu tun hatten, am offensichtlichsten und auch am naheliegendsten. Deshalb wurde auch darüber in den Medien am meisten berichtet. Denn keiner möchte krank sein. Das leuchtet allen ein. Das Virus ist ein Angriff auf unseren Körper, auf unsere Gesundheit und davor möchten wir uns schützen. Und da es sich um einen Angriff handelt, haben wir Angst. Denn es ist ja nicht so, dass wir krank werden und dann sind wir irgendwann wieder gesund, sondern wir können auch sterben. Das heißt, diese Angst vor dem Virus, ist eigentlich die Angst vor dem Tod. Eine total verständliche Angst, denn sie sichert unser Überleben. Sie ist eine der natürlichsten Ängste überhaupt des Menschen und ganz tief in uns verankert.
Die zweite Angst ist die Angst vor Armut. Viele Menschen hatten während der Corona-Krise gar nicht so sehr Angst vor dem Virus und was es mit ihnen macht, sondern vielmehr vor der Corona-Politik und ihren Regelungen. Denn diese trie Millionen von Menschen, da sie über Monate hinweg von einen auf den anderen Tag nicht mehr arbeiten durften und somit kein Geld verdienen konnten, an den Rand oder direkt in die Armut. Die finanzielle Sicherheit stand hier für viele auf dem Spiel und damit aber auch gleichzeitig die eigene Unversehrtheit. Denn wer seinen Job nicht ausüben darf, der hat schnell kein Geld mehr, der hat dann auch bald keine Wohnung mehr und landet auf der Straße (im schlimmsten Fall…). Dort geht es dann nur noch ums Überleben. Es handelt sich hierbei also um eine Existenzangst – und umgekehrt also auch hier wieder um die Angst vor dem Tod.
Die dritte Angst ist die Angst vor dem sozialen Ausschluss. Ein nicht zu unterschätzender Anteil unserer Bevölkerung hatte weder Angst vor der Krankheit an sich, noch Angst davor schon bald auf der Straße zu landen. Sie waren vielleicht körperlich besonders fit oder jung und hatten genügend finanzielle Rücklagen oder einen Job, den sie auch während Corona ausüben und damit ihre Existenz sichern konnten. Aber sie hatten Angst davor, ihre Meinung gegenüber anderen zu äußern, wenn es um die Corona-Maßnahmen ging. Oder sie hatten Angst, sich anders zu verhalten als es die Regeln verlangt haben. Vielleicht haben sie auch vieles, was in den Medien so gesagt wurde, auch einfach nicht verstanden. In jedem Fall hatten sie aber Angst davor, den Anschluss an ihre sozialen Gruppen, in denen sie sich bewegt haben, zu verlieren und dann auf einmal ganz alleine auf weiter Flur zu stehen.
Doch der Mensch ist ein soziales Tier. Er kann nicht ohne die anderen überleben – das ist Fakt. Und somit bedeutet es höchste Gefahr, von anderen Menschen ausgeschlossen oder sogar von ihnen verstoßen zu werden. Deshalb haben sich diese Menschen an ihre Umgebung angepasst. Haben „Ja“ gesagt zu den Regeln, haben verständnisvoll genickt, wenn jemand darüber gesprochen hat, wie gefährlich das Virus sei, haben ihre Maske in der U-Bahn angezogen und und und... Sie sind quasi mit den anderen beiden Gruppen verschmolzen und konnten somit von außen nicht mehr von ihnen unterschieden werden. Aber auch diese Angst ist ganz tief in uns Menschen verankert. Denn die Bedrohung, von anderen nicht anerkannt und akzeptiert zu werden, kommt dem Sterben gleich. Somit ist auch diese Angst die Angst vor dem Tod.
Die letzte Angst ist schließlich die Angst vor der Diktatur. Diese Menschen, die in den Medien als Querdenker, Corona-Leugner, Systemsprenger etc. bezeichnet wurden, haben weder Angst vor dem Virus noch vor der Armut noch vor dem sozialen Ausschluss. Diese Menschen hat vielmehr umgetrieben, dass sie das Gefühl hatten, durch die strikte Corona-Politik (die in anderen Ländern gewiss noch viel strenger war…), in einer Gesellschaft zu landen, in der sie nichts mehr zu sagen haben. In der Regeln einfach so, manchmal auch willkürlich beschlossen werden und dies weitreichende Konsequenzen für das eigene Leben hat. Diese Menschen fühlten sich zutiefst eingeschränkt von der Politik und konnten deren Argumentationen nicht nachvollziehen, da sie deren Angst (vor dem Tod) nicht verstehen konnten. Sie fühlten sich nur zutiefst unfrei und unfair behandelt. Und auch diese Angst vor Unfreiheit ist eine in uns Menschen tief verwurzelte Angst. Denn so sehr der Mensch auch Sicherheit, Geborgenheit und Schutz erfahren möchte, so will er gleichzeitig auch raus in die Welt, will sie erkunden, ist neugierig und will frei in seinem Denken und seinem Handeln sein. Dieser Drang nach Freiheit ist in unserer DNA genauso tief verankert, wie der Wunsch nach Sicherheit. Diese Angst unterscheidet sich somit von den anderen drei bereits genannten Ängsten, denn sie ist keine Angst vor dem Tod. Sie ist eine Angst vor Unfreiheit.
In jeder Gesellschaft liegt eine Normalverteilung vor und deshalb glaube ich auch, dass das hier der Fall ist: Nur ganz wenige haben wirklich Angst vor der Krankheit (10%, maximal 20%). Weitere 10% haben Angst vor der Unfreiheit. Dies sind die beiden Extreme der Normalverteilung. Da laut dem Statistischen Bundesamt 2021 ca. 16% der in Deutschland lebenden Personen armutsgefährdet waren, gehe ich mal pauschal davon aus, dass diese Menschen Angst vor Armut hatten und runde den Wert auf 20% auf. Wer mitgerechnet hat, hat sicherlich festgestellt, dass noch 60% übrigbleiben, die damit an die Angst vor sozialem Ausschluss gehen. Auch wenn ich hier nur spekuliere, ist das eine enorm hohe Zahl! Aber ich finde sie gar nicht so abwegig. Denn let’s face it – die meisten Menschen sind Mitläufer. Das war nicht nur in dieser Krise so, sondern auch in vielen anderen. Und so ist es auch jetzt gewesen: Diese Menschen haben nicht selbst nachgedacht oder haben sich nicht getraut, sondern sie haben sich angepasst – je nachdem wie ihr Umfeld eben drauf war…
Aber nochmal zurück zu den Ängsten. Aus den vier Ängsten sind zwei geworden: Die Angst vor dem Tod und die Angst vor der Unfreiheit. Doch die Verteilung ist ungleich. Die Angst vor dem Tod fächert sich in drei oberflächlichere Ängste auf, die Angst vor Unfreiheit bleibt jedoch allein. Und somit steht es 3:1 für die Angst vor dem Tod. Und genauso hat sich unsere Gesellschaft auch in den letzten Jahren verhalten. Es wurden zig Regeln zum Schutz vor dem Virus beschlossen, zig Gesetze für die Beantragung von Geldern verabschiedet und auf die Menschen, die keine (!) Angst vor dem Tod hatten, denn sie waren die Minderheit, wurden Steine geschmissen…
Doch wir sollten eigentlich erkennen, dass keine der beiden Ängste „besser“ oder „schlechter“ ist als die andere. Sie sind beide gleichwichtig und haben dementsprechend auch beide ihre Daseinsberechtigung. Denn sie berühren beide tief in uns verwurzelte Themen. Die Angst vor dem Tod ist genauso legitim wie die Angst vor der Unfreiheit.
Der Wunsch nach Sicherheit und der Wunsch nach Freiheit sind seit jeher im Menschen vorhanden und schon immer hat der Mensch mit diesen beiden Gegensätzen gerungen. In diesem Spannungsverhältnis bewegt sich der Mensch, arbeitet sich ab, und versucht es verzweifelt aufzulösen, obwohl dies nie möglich sein wird.
Ich möchte an dieser Stell betonen, dass es sich bei diesen Ängsten um keine bewussten Ängste handelt. Denn da sie so existentielle Themen in uns berühren, sind sie vor allem mit unserem Unterbewusstsein verbunden, das uns oft mehr steuert, als uns lieb ist. Diese Ängste sind somit existentiell, fundamental, tiefgreifend, irrational und nicht greifbar. Wir haben darauf schlicht (erstmal) keinen Zugriff. Nur anhand unseres Handelns an der Oberfläche können wir auf tiefere Kräfte in uns schließen. Aber gerade weil es sie so tief in uns verwurzelt sind, fällt es uns so schwer darüber zu sprechen und auch die Perspektiven anderer Personen nachzuvollziehen – weil wir so in unserer eigenen Angst gefangen sind, dass wir die anderen Sichtweisen nicht wahrnehmen, nicht verstehen können. Wir alle reden dann gegen eine Wand und am Ende sind beide Parteien verletzt und fühlen sich unverstanden… Genau das ist in der Corona-Krise passiert.
Was hilft also? – In meinen Augen sind das drei Dinge:
Selbstreflexion (Was sind meine eigenen tiefsten Ängste?)
Empathie (Was könnten die tiefsten Ängste des anderen sein?)
den gemeinsamen Nenner erkennen – die Angst. Es ist egal, wovor du Angst hast und wovor ich Angst habe, aber die Angst bleibt gleich. Und das gilt für ALLE Menschen! We’re all f***ing scared!!
Und zuletzt die Frage, mit der sich schon die gesamte Menschheit beschäftigt hat:
Sicherheit vs. Freiheit – Freiheit vs. Sicherheit. Which one do you choose?