Vor einiger Zeit habe ich mein Liebesleben mit einem Besuch auf dem Jahrmarkt verglichen.
In der Grundschule – ja, schon da war ich in jemanden „verliebt“ – und auch in der weiterführenden Schule war das alles harmlos. Ich war aufm Jahrmarkt, um zu gucken, um die Leute zu beobachten, um überhaupt erstmal nen Eindruck von dem Ganzen zu bekommen, wie das so funktioniert. Mal fand ich den einen gut, mal den anderen. Also erstmal ganz viele Liebesperlen und Liebesäpfel essen und das ein oder andere Lebkuchenherz. Erstmal nur konsumieren, ohne Intention selbst aktiv zu werden.
Als erstes habe ich mich dann getraut, mal Riesenrad zu fahren. Unspektakulär, simpel, man fühlt sich halbwegs sicher und ich habe auf einmal einen Ausblick auf meine Umgebung (und mich) bekommen. Ich hatte jemanden in meinem FSJ kennengelernt, mit dem ich mich echt gut verstanden habe und wir haben in der Zeit viel miteinander geschrieben. Aber irgendwie hat es dann doch nicht gepasst. Wir waren beide zu schüchtern, zu unsicher, zu unerfahren, um es wirklich miteinander zu probieren – außerdem wäre es auch direkt eine Fernbeziehung geworden… Die Runde mit dem Riesenrad war nett und hat mir irgendwie Auftrieb gegeben, aber mehr war es dann auch nicht. Wir sind gute Freunde geblieben.
Zurück in Hamburg bin ich mutiger geworden und bin zum Entenangeln gegangen. Ich weiß, hört sich jetzt nicht so aufregend an, aber Dating Plattformen haben es in sich. Mehrmals war ich da, hatte immer wieder kurze Phasen, wo ich mal meinen Marktwert als Anglerin checken musste und natürlich auch die Enten begutachten musste, die ich zur Auswahl hatte. Ein paar habe ich dann auch im echten Leben kennengelernt, waren alles nette junge Männer, aber mit keinem wollte ich es ernsthaft probieren. Die allermeisten haben es nicht über ein erstes Date hinausgeschafft, was schon irgendwie unfair von mir war. Doch ich wusste es damals einfach nicht besser…
Einer der Enten – um mal bei der Metapher zu bleiben – hat sich aber vielmehr als Jekyll and Hide oder irgendein anderes wildes Fahrgeschäft herausgestellt. Ich dachte mir bei ihm, ich könnte ja mal was Neues ausprobieren. War ne scheiß Idee, ich sag’s Euch gleich! Tja, warum wollte ich dieses wilde Fahrgeschäft ausprobieren? Ich wollte cool sein, Erfahrungen sammeln, mitreden können… Doch im Innersten wusste ich schon, dass ich das besser hätte lassen sollen – ich war zu unsicher, zu überfordert und er wusste sehr genau, was er wollte und das wollte ich definitiv nicht. „Stop“ gesagt habe ich – irgendwann – und bin aus diesem Fahrgschäft ausgestiegen. Für mich ein bisschen zu spät und für ihn zu früh. Von dem Ding musste ich mich erstmal erholen und habe mir geschworen, sowas nie wieder zu machen. Es mag ja für andere Leute was sein, aber ich stehe lieber daneben und sehe mich nach entspannteren Fahrgeschäften um.
Ein Kollege hat sich zwischenzeitlich als den Hauptgewinn bei der Tombola angeboten, und ich war kurzweilig auch dazu geneigt, den Preis anzunehmen, aber bin dann im Nachhinein doch sehr froh darüber gewesen, dass ich es nicht getan habe. Das wäre in einen zweiten Jekyll and Hide Ride ausgeartet…
Ja und dann, dann kam das Spiegelkabinett, das zu einem Labyrinth wurde. Ich find solche Dinger ja immer super interessant und lustig und lasse mich da gern drauf ein, aber das Teil war ne Nummer zu groß für mich. Irgendwann wusste ich nicht mehr wo oben und unten, links und rechts war... Ich habe mich darin selbst verloren und hatte keinen Plan, wie ich da wieder rauskommen soll. Aber nach zwei Jahren umher irren habe ich es geschafft, indem ich dem Licht am Ende des Tunnels bzw. des Labyrinths – meiner inneren Stimme – gefolgt bin.
So ganz war ich aus dem Labyrinth noch nicht raus – ich hatte quasi erst den Entschluss dazu gefasst, dass ich da weg will – da hat sich auf einmal eine Achterbahn vor mir aufgetan. Die war super, was für ein Höhenflug! Die Gefühle schlugen hoch, aber stürzten genauso schnell und unvermittelt auch wieder ab und rissen mich vielmehr in eine Geisterbahn. Und wenn ich eins nicht mag, dann sind es Geisterbahnen! Diese Fahrt hat mich viel Kraft gekostet, aber ich bin im Nachhinein froh, dass sie so schnell dann zu Ende war wie sie begonnen hatte und ich mich davon erholen konnte. Wie sagt man so schön: „Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.“
Nachdem ich wieder etwas Atem geschöpft hatte, bin ich kurz auf eins von diesen altmodischen, super schönen Karussells mit ganz viel Gold und Schnörkeln drauf gehüpft. Jemanden, den ich schon lange kenne, hatte ich auf einmal ganz unverhofft auf dem Radar. Aber es war von vornherein klar, dass es nicht passen würde.
Joa – dann war ich mal wieder beim Entenangeln. Und habe wie jedes Mal für mich festgestellt, dass das nichts für mich ist.
Und dann kam jemand – das hatte ich auch gar nicht kommen sehen – der mir eine Rose geschossen hat und mir einen von diesen riesigen super kitschigen Teddybären geschenkt hat, der ein Herzchen zwischen den Pfoten hält, auf dem „I love you“ oder so draufsteht. Super süß, super investiert in mich. Meine Gefühle schlugen wieder hoch, aber noch konnte ich das nicht fassen, dass jemand so lieb zu mir war und mich so schätzte. Es war too good to be true… Weshalb ich ihn nach längerem Ringen mit mir selbst, zu Hau‘ den Lukas geschickt habe und ihm dort richtig eins auf’n Deckel gegeben habe. Das hat weh getan. Vor allem ihm, aber mir auch.
Dann war ich wieder Enten angeln. Und diesmal habe ich wirklich gecheckt, dass das nichts für mich ist und ich meine Strategie von Grund auf ändern muss, wenn ich jemals jemanden finden möchte. Ich habe erkannt, dass das Entenangeln nur Zeitvertreib und Pseudo-Daten ist. Denn ich lasse mich ja auf keinen der Typen dort wirklich ein. Ich swipe und gucke und schreibe und gucke und treffe mich und serviere dann den Typen ab – egal, wie nett er war oder wie gut es vielleicht geklappt hätte, wenn ich ihm noch eine Chance gegeben hätte. Kurz gesagt: Ich bin vor den wirklich an mir interessierten Männern weggelaufen und habe Entenangeln als meinen Fluchtort auserkoren. So nach dem Motto: „Ich bin ja auf der Suche, schaut her, ich bin auf Dating Plattformen ganz aktiv, aber es ist einfach nicht der Richtige für mich dabei!“ Von wegen… Ich war gar nicht auf der Suche, sondern auf der Flucht.
Und das war mein Wake up Call. Als ich diese Masche von mir endlich durchschaut hatte, konnte ich mich darauf konzentrieren, wie ich sie nun umgehen kann. Die Antwort war: Fühle die Angst und lass dich auf jemanden ein, also wirklich diesmal, so richtig mit commitment und so.
Und da ist mir dann direkt mein Rosen-Schütze eingefallen, den ich in meinem Herzen eigentlich eh noch nicht ganz losgelassen hatte. Mein Kopf hatte sich nur die ganze Zeit dagegen gesperrt und diese echte, realistische Möglichkeit der Beziehung abgeblockt. Aber als ich dann meinen Kopf davon überzeugen konnte, dass das doch keine so doofe Idee wäre, es mit ihm zu versuchen, konnte sich mein Herz auf einmal viel leichter mit seinem verbinden.
And here we are today: Ich habe meinen Schützen von Hau’ den Lukas weggeholt und habe mit ihm zusammen dem Jahrmarkt den Rücken gekehrt. Wir schauen uns jetzt zusammen das Spektakel aus der Ferne an und drücken allen die Daumen, dass sie ihr passendes Fahrgeschäft irgendwann finden mögen.
Foto 1: Vishu Kochhar auf Unsplash
Foto 2: Happening London auf Unsplash
Foto 3: Eric Tompkins auf Unsplash
Foto 4: Casey Horner auf Unsplash
Sehr schöne Darstellung deines Dating-Lifes. Freut mich, dass du noch deinen Lukas gefunden hast! 🥹